Das erste Kitahalbjahr ist vorbei, in den Kitas im Land macht sich sommerliche Gelassenheit breit. Nur ein kleines Grüppchen von Erzieherinnen und Erziehern kann es einfach nicht lassen, das kommende Kitajahr zu planen. Mitunter opfern sie dafür sogar ihre kostbaren Urlaubstage, die sie doch eigentlich dringend zur Erholung brauchen. Dabei könnten es die Erzieherinnen und Erzieher so einfach haben. Sie müssten die Planung des nächsten großen Angebotes nur an die Kinder übergeben. Kann das funktionieren? Selbstverständlich!

Kinder in der Kita an der Planung ihres Alltages mitwirken zu lassen, ist echte Partizipation. Denn je mehr Erzieherinnen und Erzieher für die Kinder planen, desto mehr begrenzen sie deren Möglichkeiten zu lernen und sich selbst wahrzunehmen. Die langjährige Kitaleiterin und Kitafachberaterin Ulrike Leubner empfiehlt deshalb in ihrem Buch „Planen mit Kindern“ allen Pädagoginnen und Pädagogen, sich einfach mit einem weißen Blatt zu den spielenden Kindern zu setzen und ganz genau zu beobachten. Wie die gesammelten Ideen der Kinder anschließend produktiv im Kita-Alltag umgesetzt werden, beschreibt Ulrike Leubner mit vielen Praxisbeispielen in ihrem Buch.

„Niemand muss Angst vor dem weißen Blatt haben. Probieren Sie es doch einfach einmal aus! Sie werden sehen, wie schnell sich das Blatt mit den Ideen der Kinder füllt.“

Ulrike Leubner

Stark partizipative Planarbeit mit Kindern fördert Lernmotivation und weckt Forscherlust. Kinder lernen dabei, an ihre Grenzen zu stoßen, erfahren, dass die Umsetzung mancher Ideen nicht möglich oder gefährlich ist. Die begleitenden erwachsenen Personen beobachten achtsam, ermöglichen Grenzerfahrungen unter ihrer Aufsicht und halten bei Bedarf Gefahren fern. Sie erlernen gemeinsam mit den Kindern, den Erfahrungs- und Grenzbereich auszuweiten und eignen sich dabei die Fähigkeit einer geduldigen Achtsamkeit an. Wer Kindern die Planung überlässt, muss sich bewusst sein, dass er sich mit seinen eigenen Ideen und Vorstellungen sehr stark zurücknehmen muss, Kindern wollen schließlich ihre eigenen Wege gehen. Und das selbst dann, wenn diese etwas länger dauern, als bei einem vorgefertigten Angebot. Dafür ist aber auch der Lerneffekt bei den Mädchen und Jungen viel größer, wie das folgende Beispiel verdeutlicht.

Der Kreisverkehr

Tag 1

Unweit einer Kita entsteht durch langwierige Baumaßnahmen ein Kreisverkehr an einer großen Kreuzung. Die Kinder beobachten immer wieder mit ihren Freunden aus der Gruppe und ihren Familien die Arbeiter auf der Baustelle. Als ein Jahr nach der Fertigstellung in der Mitte des Kreisverkehrs das Unkraut die frischen Bepflanzungen überwuchert, unterbreiten die Kinder den Vorschlag, das Unkraut zu jäten. Die Erzieherin ist in einer Spontanreaktion zunächst geneigt, die Kinder angesichts der großen Gefahr umgehend davon abzubringen. Nach einem Moment des Zögerns hört sie sich sagen: „Wenn ihr meint, dass ihr das übernehmen wollt, dann holt gleich das Planmaterial und wir machen einen Plan.“

Die Kinder holen Papier, Stifte, Schere, Klebestreifen und Elias ruft: „Ich mache mal gleich die Insel für die Mitte!“ und zur Erzieherin gerichtet: „Schreibst du das Datum drauf?“ Während Elias malt und schneidet, es zulässt, dass zwei Mädchen beim Malen der Blumen helfen, weil ihm das Malen von Unkraut ohnehin mehr Spaß bereitet, versucht die Erzieherin, erste Ideen der Kinder einzufangen. Ricarda: „Da ziehe ich Handschuhe an, von meiner Mama, damit die Hände nicht schmutzig werden. Die mit den Blumen drauf.“ Die Erzieherin nickt und sendet ihre Blicke zur Materialkiste. Ricarda beginnt gleich, ihre Idee aufzumalen. Jonas fügt aufgeregt hinzu: „Da brauchen wir einen großen Spaten! Mein Papa hat einen neuen gekauft, den bringe ich mit – da muss er ins Auto rein, weil der ist ganz schwer!“ Rick fügt aufgeregt hinzu: „Und mein Papa hat eine große Schaufel!“ Susann schüttelt den Kopf: „Da müssen wir doch eine Hacke nehmen, sonst graben wir doch die Blumen mit aus.“ Erzieherin: „Ich glaube, wir haben unseren ersten Schlüsselpunkt gefunden: Material – also alle Dinge, die wir dazu brauchen können.“ Die Kinder jubeln: „Ja!“ Ein Kind malt den Schlüsselpunkt, Ricarda ist mit ihrem bunten Handschuh fertig, Jonas mit seinem Spaten und Rick mit der Schaufel. Ricarda bemerkt: „Ihr müsst noch euren Namen dazu schreiben.“

Als der Schlüsselpunkt fertig ist, spannen die Kinder einen Verbindungsfaden von der Mitte zum Schlüsselpunkt und befestigen die Ideen mit einem Magneten daran. Josi ruft aufgeregt: „Da müssen wir das machen, wenn es nicht regnet!“ Erzieherin: „Du meinst also, wir brauchen schönes Wetter?” Josi: „Ja! Ich will eine Sonne malen.“  Lucie: „Aber nicht Montag, weil da bin ich nicht da!“ Rick: „Und ich freitags nicht – manchmal.“ Ricarda: „Da muss ich Gummistiefel anziehen und nicht mein schönes Kleid.“ Rick: „Und ich meine alten Jeans, die mit dem Loch.“ Erzieherin: „Ich merke, dass ihr noch sehr viele Ideen habt, am besten wir machen für heute eine Planpause. Ihr könnt für morgen noch viele Ideen aufmalen und ins Ideen-Kästchen legen – das wird morgen wieder ein spannender Ideen-Sammeltag.“

Während die Kinder ihre Arbeit zu Ende bringen, bemerkt die Erzieherin ganz nebenbei: „Ich bin ja gespannt, wer von euch einen „Berichte-Plan“ (so nennt diese Gruppe die Dokumentations-Mind-Map für die Eltern) herstellt.“ Einige Kinder jubeln hoch motiviert und wollen sofort mit der Arbeit beginnen. Zunächst  streiten sie sich darum, wer den „Mittelpunkt“ (das Thema) gestalten darf. Kurze Zeit später einigt sich die Gruppe selbständig, legt die Mind-Map an und bittet die Erzieherin um Hilfe beim Abnehmen der alten Mind-Map.

Nach dem Mittagessen nutzt die Erzieherin die Ruhephase der Kinder und schreibt einen Brief an die Eltern: Ein Exemplar wird neben dem neuen Plan angehängt und einige Kopien gehen als Information mit in die Familien der Kinder, deren Eltern nicht selbst ihre Kinder abholen. So sind sich die Erzieher gewiss, gut informiert zu haben. Zudem haben sie mit dem transparenten Aushang versucht, Missverständnisse zu vermeiden und den Eltern die Gelegenheit gegeben, die Abläufe verstehen beziehungsweise nachvollziehen und unterstützen zu können.

Sehr geehrte Eltern und Familien,

unseren Kindern ist das viele Unkraut im neuen Kreisverkehr aufgefallen. Sie wollen gern etwas für ihren Heimatort tun und den Kreisverkehr jäten. Natürlich werden wir das nicht tun. Wir möchten jedoch diese Gelegenheit nutzen, die Kinder mit den Gefahren im Straßenverkehr bekannt zu machen und „spielen“ das Szenario unter der Obhut von uns Erwachsenen durch. Vielleicht finden auch Sie, liebe Eltern und Familien, noch eine Variante, uns dabei zu unterstützen. Ihr Kind wird Sie sicherlich zu dem Thema ansprechen. Zudem können Sie an der Dokumentationstafel den spannenden Verlauf mitverfolgen, mitstaunen, mitlernen und mitlachen. Wir freuen uns darauf!

Das Pädagogen-Team

Tag 2

Rick steht mit seinem Vater und der beschriebenen großen Schaufel in der Tür. Die Erzieherin sagt: „Möchtest du schon heute zum Kreisverkehr?“ Rick: „Ja, weil morgen ist doch Freitag und da bin ich doch nicht da!“ Erzieherin: „Glaubst du, dass wir alles schon fertig geplant haben?“ Rick: „Nein, da muss noch viel Plan rein.“ Erzieherin: „Da können wir heute noch gar nicht anfangen und morgen ganz sicher auch nicht. Möchtest du die Schaufel wieder mit nach Hause geben?“  Vater von Rick: „Ich brauche sie im Moment nicht, vielleicht findet ihr eine Ecke zum Material sammeln.“ Er zwinkert dabei die Erzieherin an. Sie nickt und sucht am Vormittag mit den Kindern eine Material-Sammel-Ecke. Die Kinder bauen aus Bauklötzen einen Schutzzaun für die Krippenkinder darum – es soll ja schließlich nichts passieren. Zudem nutzen sie die Zeit zum Weiterplanen.

Ein Kind kommt auf die Idee, den Hausmeister zu fragen, ob er ihnen die Schubkarre ausleiht. Der Hausmeister schnappt zunächst nach Luft, als er erfährt, was die Kinder da machen wollen. Die sicheren Blicke der Erzieherin beruhigen ihn. Die Schubkarre kommt in die Sammelecke.

Tag 3

Der Plan und die Sammlung werden erweitert: Kleine Schaufeln, Eimer für Unkraut und die Unfalltasche kommen in die Sammlung: Schließlich stehen Rosen im Kreisverkehr und da kann es Verletzungen geben. Der Start-Tag wird geplant: Es ist der kommende Dienstag, da sind alle da.

Tag 4

Vorfreude, Spannung, ein wenig Übermut bestimmen den Tag. Am Vormittag suchen die Kinder im Garten Unkraut und analysieren es mit der Lupe. Feststellung: Brennnesseln brennen. Es wird geklärt, wie gefährlich das ist und ob die Behauptung mit dem „frischen Blut“ stimmt. Darüber hinaus stoßen die Kinder auf Bienen und klären die Folge von Bienen- und Wespenstichen. Ein Teil der Kinder meint, Bienen gibt es auch im Kreisverkehr, ein Teil sagt, dass es dort viel zu laut für Bienen sei. „Dann fliegen sie eben nur nachts zur Verkehrsinsel.“ „Nachts können die Bienen nichts sehen, weil sie keine Lampe haben.” „Gibt es im Kreisverkehr überhaupt eine Straßenlampe?“

Tag 5

Los geht’s: Mit Schubkarre und allen anderen Utensilien ziehen alle zum Kreisverkehr. Aber oh je! Wie über die Straße kommen? Ein Passant spricht die Kinder an und schickt sie zum Gemeindeamt, weil dort die Polizeistation ist und die Beamten absperren sollen. Die Gruppe folgt dem Rat und fragt die Polizisten, ob sie zum Jäten absperren können. Die Erzieherin zückt einen Elternbrief aus ihrer Tasche, gibt ihn zur Information dem Polizisten. Er liest, schmunzelt und steigt in die Geschichte mit ein. „Also Absperren ist nicht so einfach möglich, da brauchen wir vorher eine Genehmigung vom Straßenverkehrsamt. Dafür muss ein sehr dringender Grund vorhanden sein. Außerdem ist es trotz Absperrung viel zu gefährlich, wir könnten ja nur eine Teilsperrung beantragen, sonst würde im gesamten Gebiet wegen Unkrautjätens der Verkehr stillgelegt.“

Torben: „Da meckert mein Papa bestimmt, wenn der warten muss. Der meckert da immer!“ Polizist: „Ja, manchmal haben die Autofahrer keine Geduld, manchmal liegt aber auch ein sehr dringender Termin vor.“

Nun rufen die Kinder einige dringende Termine in die Runde. Der Polizist sagt, dass das Unkrautjäten auf der Verkehrsinsel eigentlich „Gemeindesache“ sei und schickte die Kinder ins Gemeindeamt. Er verabredet für den nächsten Tag einen Treff mit den Kindern am Kreisverkehr zur „Ortsbegehung“.

Die Kinder gehen ins Gemeindeamt. Bei der Sekretärin schildern die Kinder ihr Anliegen. Sie schickt die Kinder zum Bauamtsleiter. Die Gruppe verläuft sich im Gemeindeamt, zwei Kinder gehen zurück und erkundigen sich erneut nach dem Weg. Es stellt sich heraus, dass der Irrtum zustande gekommen ist, weil die Kinder bei der Richtungsbestimmung in unterschiedlicher Richtung gestanden haben: Jeder hatte somit „sein anderes Rechts“. Nachdem eine heftige mathematische Diskussion zu Ende geführt war, klopfen die Kinder beim Bauamtsleiter. Er erklärt, dass das Unkraut Sache des Bauhofes sei. Mit Schubkarre und allen Utensilien gehen die Kinder zurück in ihre Kita.

Tag 6

Alle sind aufgeregt, sie treffen sich heute mit dem Polizisten. Schnell wird noch geplant, was sie alles von ihm wissen wollen. Der Polizist beschreibt die Gefahren auf der Straße, übt mit den Kindern das „Über-die-Straße-gehen“ und das richtige Verhalten an Fußgängerübergängen. Ein spannender Vormittag geht zu Ende.

Tag 7

Rick erzählt, dass sein Vater mit Karl-Heinz, der im Bauhof arbeitet, gesprochen habe. Er lädt die Gruppe zum Besuch auf den Bauhof ein. Die Kinder suchen mit der Erzieherin die Telefonnummer des Bauhofes heraus und sprechen mit Karl-Heinz einen Besuchstermin ab.

Tag 8

Besuch auf dem Bauhof: Zunächst „erschrecken“ die (natürlich bereits eingeweihten) Männer des Bauhofes über den kühnen Plan. Dann reagieren sie verschämt und entschuldigen sich dafür, dass sie diese Verkehrsinsel noch nicht in Ordnung gebracht haben. Sie berichten, was sie bis dahin alles im Ort erledigt hatten. Dann erklären sie den Kindern, wie gefährlich diese Tätigkeit sei und dass sie vorher beim Straßenverkehrsamt eine Genehmigung einholen müssten. Sie schlagen den Kindern vor, zunächst ganz schnell einen Antrag zu stellen und dann die Kinder zur Verkehrsinsel-Reinigung einzuladen. Die Kinder jubeln: „Einverstanden!“

Sie dürfen sich noch die großen Baufahrzeuge und Geräte anschauen und Karl-Heinz bohrt mit der großen Bohrmaschine ein Loch in einen Balken. Ist das laut! Karl-Heinz braucht dazu einen Helm, Kopfhörer als Lärmschutz, feste Arbeitsschuhe und die Kinder ein ganzes Stück Abstand.

Tag 9

Der Tag der Verkehrsinsel-Reinigung: Die Kinder ziehen mit ihren Utensilien zum Kreisverkehr. Die Arbeiter begrüßen ihre neuen kleinen Freunde, ziehen sich rote Warnwesten an, stellen Warndreiecke und weiß-rote Kegel auf die Straße und an jede Einfahrt des Kreisverkehrs ein Hinweisschild: „Achtung! Straßenreinigung!“ Sehr aufmerksam schreiten sie über die Straße und beginnen mit ihrer Arbeit. Die Kinder schauen geduldig vom sicheren Fußweg aus zu.

Als man die roten Rosen wieder leuchten sieht, räumen die Arbeiter alles wieder auf. Dann geht es mit achtsamen Blicken wieder über die Straße zu den Kindern auf der anderen Seiten. Dort angekommen, verkündet Karl-Heinz: „Wir haben einen Vorschlag: Wenn ihr uns helfen wollt, so könntet ihr im Gemeindepark das Blumenbeet bepflanzen.“ Mit Blick auf die Schubkarre voller Gartengeräte fügt er hinzu: „Ihr habt schließlich alles, was man dazu braucht, dabei.“ Er überreicht den beiden Erzieherinnen eine Stiege voller Pflanzen und die Kinder jubeln. Die Arbeiter bedanken sich für die Hilfe und betonten, dass sie nun dank der Kinder gleich mit der Arbeit am Teich weitermachen könnten.

Tag 10

Am nächsten bepflanzen die Kinder „ihr“ Blumenbeet im sicheren Park. In der Folge besuchen sie ihre Blumen noch öfter. Manchmal nehmen sie Hacke, Handschuhe und Gießkanne mit.

Mehr Informationen zum Buch “Planen mit Kindern”, eine Leseprobe und einen Bestellschein finden Interessierte unter diesem Link.