Wird aus einem Kind, das gestern noch die Kita besuchte, heute ein Schulkind, nur weil es von einem Tag auf den anderen eine höhere Bildungseinrichtung besucht? Klare Antwort: Nein! Engagierte Pädagogen und achtsame Eltern wissen, dass der Übergang von der Kita zur Schule am besten gelingt, wenn er möglichst gleitend gestaltet wird.  Bezogen auf das Thema Regeln heißt dies, dass ein Kind, das bereits im Vorschulbereich gelernt hat, sich einerseits an gesellschaftliche Normen und Regelungen der es umgebenden Gemeinschaft zu halten, andererseits seinen Alltag auch mit Hilfe eigens erdachter und erstellter Regeln bewältigen kann, hervorragend für den anspruchsvollen neuen Lebensabschnitt gerüstet ist.

Ein Kind, dass verstehen kann, weshalb Regelungen für eine Gruppe getroffen werden, wird sich ohne Widerstand einordnen können. Aus diesem Grund benötigen die Neulinge in Schule und Hort noch sehr viele Erklärungen, die ihnen verdeutlichen, warum diese oder jene Regelung notwendig ist. Sie brauchen bildhafte Sprache gegebenenfalls über Symbole, da sie die Buchstaben noch nicht decodieren können. Geduld und Empathie sind für den Schulstart genauso vonnöten, wie Wiederholungen und Hilfeleistungen über Erwachsene oder ältere Schüler.

Jedes Kind, dass auf Erfahrungswerte aus der Vorschulzeit zurückgreifen kann, ist im Vorteil, es wird die Vielzahl an neuen Anforderungen besser bewältigen, wenn es gelernt hat, sich in Strukturen einzufügen, sowie sich auch selbst zu strukturieren. Ich sehe dabei vor allem die Eltern als Lebensbegleiter in der Verantwortung. Die Aufgabe, das eigene Kind für eine Zeit nach der Kita fit zu machen, können sie nicht ausschließlich an andere Personen delegieren. Sie bleiben im Gegensatz zu den pädagogischen Fachkräften in Kitas lebenslang die Ansprechpartner für ihr Kind, teilen mit ihm Freude und Sorgen, überwinden mit ihm gemeinsam schwierige Situationen und sind verantwortlich für den Schulbesuch und die Bewältigung der (Haus)Aufgaben ihres Kindes.

Es ist wichtig, bereits vor dem Schulbeginn dem neuen Alltag eine Struktur zu geben, vielleicht sogar schon Zeitfenster zu realisieren: „Um diese Zeit kommst du dann aus dem Hort“ oder „Jetzt ist die Zeit, in der wir uns gemeinsam deine Hausaufgaben anschauen werden.“ Ein kleiner Kurzzeitwecker kann bereits das Gefühl für die Dauer einer Unterrichtsstunde schulen und am Frühstückstisch nach zehn Minuten das „Pausen-Ende“ einläuten. Ein gemeinsam mit dem Kind gemalter Schul-Plan an der Wand (gegebenenfalls in Form einer Mind Map) hilft dem Kind bei der Erfassung der Größe und der Vielfalt der neuen Lebensaufgabe, er hilft ihm, das Bild davon zu ordnen, zu strukturieren.

Auch wenn Eltern bemüht sind, die Vorfreude auf den neuen Lebensabschnitt der Schulzeit zu fördern, sollten sie nicht vergessen, ihr Kind auch auf die eventuell am Horizont aufziehenden dunklen Wolken vorzubereiten: Es wichtig, dass das Kind weiß, dass Gespräche bei eventuell auftretenden Konflikten (Streit, Gefahren, Ängsten, Sorgen oder die erste schlechte Zensur) eine gute Lösung sind. Eltern müssen ihrem Kind signalisieren: Du kannst uns alles angstfrei erzählen, wir sind deine Vertrauenspersonen, wir werden für alles gemeinsam eine Lösung finden. Das Urvertrauen eines Kindes in seine Eltern endet niemals, es bleibt auch über seine Kindheit hinaus das Kind seiner Eltern. Dabei behilflich sind existierende Gesprächsrituale (Familienkonferenzen, Kuschelzeiten, Quatsch-Stunden), sowie Möglichkeiten zu signalisieren: Ich möchte mit euch reden!

Unsere Autorin Ulrike Leubner hat mehr als 30 Jahre als Erzieherin, Kitaleiterin und Kitafachberaterin bei einem großen Wohlfahrtsverband in Sachsen gearbeitet. Sie ist Autorin des Buches „Mit Kindern Regeln regeln“. Dieses richtet sich Eltern, Familien und Pädagogen in Kindereinrichtungen, Tagesmütter, Gruppenleiter im Freizeitbereich und Lehrer in Grundschulen. Es bietet neben theoretischen Grundlagen zu den Themen Regeln, Umgangsformen, Grenzen, Konfliktlösungen zahlreiche Beispiele aus der Praxis. Mehr Informationen zum Buch gibt es hier.